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Wetterbericht schlägt Talkshow

Karsten Schwanke im Wetterstudio. Foto: ARD / Ralf Wilschewski

Karsten Schwanke im Wetterstudio. Foto: ARD / Ralf Wilschewski

Im Wetter wird der Klimawandel für alle spürbar. Der ARD-Meteorologe Karsten Schwanke erklärt, wie er in 45 Sekunden Wetterbericht den Zusammenhang aufzeigt – und was er sich in Sachen Klima von seinem Sender wünscht.


Herr Schwanke, mehrere prominente Stimmen in der Debatte um guten Klimajournalismus moderieren wie Sie das tägliche Wetter. Wünschen Sie sich mehr Meteorolog:innen in den Redaktionen?

Ich weiß nicht, ob wir wirklich mehr Meteorolog:innen in den Redaktionen brauchen. Ich glaube allerdings, dass wir in den großen Nachrichtenredaktionen mehr naturwissenschaftliches Verständnis brauchen. Das fängt an beim Verständnis von Statistiken und Wahrscheinlichkeiten und endet damit, einen tropischen Wirbelsturm nicht mit einem Foto eines Staubteufels zu bebildern.

Verständnis ist ein gutes Stichwort. Der Wetterbericht soll schnell anzuschauen und zu verstehen sein. Der Klimawandel ist hingegen ein denkbar langfristiges und komplexes Ereignis. Wie bringen Sie das zusammen?

Das ist eine riesige Herausforderung. Als ich den Job vor 25 Jahren begonnen habe, gab es noch einen dicken Trennstrich zwischen Wetter und Klima. Unter anderem durch die Attributionsforschung können wir heute deutlich erklären, wie beides zusammen gehört. Ich sehe es als meine Aufgabe, jeden Tag auf diesen Zusammenhang zu schauen und ihn zu erklären, speziell in Extremwetterlagen wie Dürre, Starkregen oder Überschwemmungen. Dann gibt es einen konkreten Bezug, den ich in nur 45 Sekunden gut erklären kann. Das mache ich zwei bis vier mal pro Woche im Wetter vor Acht oder in den Tagesthemen.

In jedem Wetterbericht stecken 1,1 Grad Erderwärmung

Was muss abseits von Extremwetter passieren, damit es das Klimathema in Ihre Sendungen schafft?

Theoretisch gibt es täglich einen Anlass, denn es herrscht immer irgendwo auf der Welt eine Extremwetterlage. Und tatsächlich stecken in jedem meiner Wettberichte bereits 1,1 Grad Erderwärmung drin. Auch relevante wissenschaftliche Paper erscheinen durchgehend. Die Frage ist jedes Mal, ob das für die Allgemeinheit in Deutschland interessant ist. Häufig ist es auch einfach nur ein spannendes Satellitenbild oder ein interessanter Zeitraffer, mit dem ich den Klimawandel ganz konkret, bildlich und mit regionalem Bezug in die Sendung holen kann.

Karsten Schwanke erklärt in den tagesthemen den Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Flutkatastrophe im Juli 2021 in NRW und Rheinland-Pfalz. Video: tagesschau

Inwiefern holen Sie damit auch Zuschauer:innen ab, die nichts von Erderwärmung sondern lieber etwas von Sonnenschein am Wochenende hören möchten?

Ich erreiche mit den Wetterberichten bestimmt auch Menschen, die eher keine politische Talkshow ansehen würden. Auch wenn die Priorität immer auf dem eigentlichen Wetter liegt, kann ich also durchaus zu einer allgemeinen Aufklärung über den Klimawandel beitragen. Tatsächlich gibt es immer wieder Rückmeldungen von Zuschauer:innen, die sich mehr Inhalte dazu wünschen.

Ein neues Format für konstruktive Berichte

Und was wünschen Sie sich?

Mir sind konstruktive Berichte über Lösungsansätze für Klimaschutz wichtig. Das kann ich bisher nicht im Wetterbericht, sondern nur in längeren Stücken bei ARD Alpha unterbringen. Damit erreiche ich dann allerdings kein breites Publikum mehr. Mein Wunsch ist also, dass das Klimathema einen festen Platz in prominenten Formaten zu den besten Sendezeiten bekommt. Ganz egal ob das Reportagen oder Dokumentation sind. Aber es ist meiner Meinung nach schon wichtig, dass „Klima“ im Titel steht.

Die Initiative KLIMA° vor acht fordert eine tägliche Klima-Sendung in den Öffentlich-Rechtlichen. Foto: Screenshot

Das Klima hat die Primetime verdient

In Zeiten der Klimakrise kommt eine Sendung wie die „Börse vor acht“ einem Versagen von ARD und ZDF gleich, schreibt Friederike Mayer. Sie ist sich sicher, dass es bis zu KLIMA° vor acht aber nur noch eine Frage der Zeit ist.

Ihr Arbeitgeber hat dem Format KLIMA° vor acht eine Absage erteilt.

Das verstehe ich aus Sicht der ARD auch. Und ich denke, dass ein solches Format zu kurz wäre. Natürlich sind zwei, drei Minuten pro Tag genug Zeit für kleine Geschichten. Anstatt einer Art „Häppchenjournalismus“ hätte ich aber lieber ein längeres Format, das dann meinetwegen nur ein Mal pro Woche richtig in die Tiefe gehen kann. Trotzdem finde ich die Initiative KLIMA° vor acht unterstützenswert, weil sie ganz generell die Notwendigkeit für ein Klimaformat aufzeigt. Die ARD könnte so etwas sicher entwickeln.


Foto: Jürgen Gundelsweiler

Karsten Schwanke

… ist Meteorologe und seit 1995 Moderator für das Wetter und Wissenschaftssendungen in der ARD. (Persönliche Website)


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